Sascha Dettbarn – Between Gesture, the Unconscious, and Sound
The paintings of Sascha Dettbarn emerge from an intuitive, automatic process in which conscious control is relinquished in favor of inner impulses. Drawing from Surrealist automatism, Abstract Expressionism, and European Informel, his works unfold as dense fields of gesture, color, and material intensity. Dynamic movements and layered chromatic spaces create thresholds where psychic processes, mnemonic fragments, and archetypal images assume visual form.
Dettbarn’s practice deliberately eschews narration and figuration, opening a field of pure presence. Painting becomes an existential act—an exploration of the liminal zones where the visible and invisible, the conscious and unconscious enter into fleeting dialogue. In this sense, his work resists representation in favor of a mode of inquiry into perception, selfhood, and world.
This search extends into Dettbarn’s sound project Sopora, whose immersive, ambient soundscapes function similarly as spaces of transition. Image and sound are interwoven into a holistic artistic practice that transcends language, offering a contemplative encounter with both inner and outer realities. His paintings and soundworks alike invite us to sense the hidden dimensions of being—fleeting manifestations of a steady inner whisper.
Sascha Dettbarn – Zwischen Geste, Unbewusstem und Klang
Die Malerei von Sascha Dettbarn entspringt einem intuitiven, automatischen Prozess, in dem bewusste Kontrolle zugunsten innerer Impulse aufgehoben wird. In Anknüpfung an den surrealistischen Automatismus, den abstrakten Expressionismus und die Tradition des europäischen Informel formieren sich seine Werke als dichte Felder von Geste, Farbe und materieller Intensität. Dynamische Bewegungen und schichtweise aufgebaute Farbräume erzeugen Zwischenwelten, in denen psychische Prozesse, Erinnerungsfragmente und archetypische Bilder visuelle Gestalt finden.
Dettbarns künstlerisches Schaffen verzichtet bewusst auf Narration und Figuration und öffnet stattdessen ein Feld reiner Präsenz: Der Malakt wird zur existenziellen Praxis, in der das Sichtbare und das Unsichtbare, das Bewusste und das Unbewusste in einen flüchtigen Dialog treten. In diesem Spannungsraum wird Malerei nicht als Abbildung, sondern als Erkundung jener Schwellenbereiche erfahrbar, an denen Wahrnehmung, Selbst und Welt ineinander übergehen.
Diese Suchbewegung setzt sich in Dettbarns Klangprojekt Sopora fort, dessen sphärische, ambientartige Klanglandschaften ebenfalls als Räume des Übergangs fungieren. Bild und Klang verweben sich zu einer umfassenden künstlerischen Praxis, die sich der Sprache entzieht und stattdessen ein kontemplatives Erleben innerer wie äußerer Wirklichkeiten ermöglicht. Sowohl seine Gemälde als auch seine Klangwelten laden dazu ein, die verborgenen Dimensionen des Daseins zu erspüren – flüchtige Manifestationen eines stetigen inneren Flüsterns.
Sascha Dettbarn erkundet die Parallelwelt der Kunst auf nahezu allen möglichen Kanälen: Fotografie, Design, Musik, Film, Text und Malerei sind Länder in denen er heimisch wird. Präzise, klare und reduzierte Architekturfotografie, Musikproduktionen der verschiedensten Richtungen, ironische und ästhetisch vollendete Grafiken, intelligente Filmkonzepte, philosophische Spaziergänge in Textform. Und dann: Malerei.
Erst spät hat Sascha die Malerei oder die Malerei Sascha gefunden. Genau hier legte der Künstler die größte Entfernung, den längsten Weg zurück. Heute steht er an einem Punkt, den er früher niemals für möglich gehalten hätte: als Verfechter einer abstrakten Malerei. Ohne ein ‚realistisches‘ Bildmotiv eröffnet sich dem Betrachter ein Bildraum, der nur für ihn persönlich existiert. Dettbarns Gemälde werden zu einer Projektionsfläche des Betrachters, dessen Unterbewusstes in der eleganten Vielschichtigkeit der Werke flaniert. Dem Einen eröffnen sich gletschergesäumte Eishöhlen, dem Anderen sturmumtoste Ozeanwogen, ein Dritter sieht einen Wanderer in Nebellandschaft. Die Kunst findet eben im Rezipienten statt und genau darin liegt für Sascha Dettbarn der Reiz. Um den Assoziationsraum offen zu halten, bleiben seine Werke unbetitelt. Der Künstler malt wie im Traum, in nächtlicher Stille entwachsen ihm die phantastischen Leinwand-Welten.
Trotz der unterschiedlichen Interpretationen oder eher Projektionen empfindet der Betrachter eine eigentümliche Tiefe der Werke. Wie ein Fenster in eine andere Welt, in welche man sich durch die Leinwandoberfläche hinein lehnen kann.
Diese Leinwandoberfläche selbst ähnelt einer Reliefkarte: Gebirgsrücken türmen sich durch pastose Spachtelmasse auf. Mit geradezu alchemistischer Neugier experimentiert Sascha Dettbarn mit diversen Materialien: Kerzenwachs wird mit Acryl vermischt, Strukturpaste wird auf die Leinwand gespachtelt und die dynamische Kraft findet bis zum Zerreißen der Maloberfläche Eingang in das Werk. Verliert man sich in der Tiefe seiner Gemälde oder staunt über die Farboberflächen wird die Intensität und Unmittelbarkeit der Werke physisch und emotional erfahrbar.
Blickt man nun auf die anderen Werke des Künstlers, wie seine minimalistischen Fotografien, wird die lange Reise von Sascha Dettbarn in die Welt der Abstraktion evident. Bleibt nur weiterhin viel Entdeckerfreude und Reiselust zu wünschen, denn der Alltag bedarf dieser träumenden Parallelwelten, die sich jedem unterschiedlich öffnen.
Julia Taut, Kunsthistorikerin, BBK Braunschweig Torhaus-Galerie